Lachs und Meerforellen Sozietät

Verein zum Schutz bedrohter Salmonidenbestände

Fundierte Grundlageninformation zu Lachs und Meerforelle in deutscher Sprache war lange Zeit absolut Mangelware. Speziell die Wiedereinbürgerungsprojekte benötigen weit mehr als nur rein biologische Information.

In diesem Kapitel haben wir Ihnen solche Informationen zusammengestellt.

Links: Junger Lachs (Salmo salar) aus dem Süßwasser (5-15cm) und Erwachsener Lachs (Salmo salar)
Links: Junge Meerforelle (Salmo trutta) aus dem Süßwasser (5-15cm) und Erwachsene Meerforelle (Salmo trutta)


Zur Biologie der wandernden Salmoniden Atlantischer Lachs (Salmo salar L.) und Meerforelle (Salmo trutta L.)

Lebenszyklus

Atlanischer Lachs und Meerforelle laichen und wachsen in der Äschenregion von Flüssen, die in den Atlantik entwässern. Ab September / Oktober wandern die Elternfische aus dem Meer zu und laichen ab Mitte November in den kiesigen Abschnitten. Die Jungfische schlüpfen etwa im April und leben ganz nach Forellenart 1-2 Jahre im Fluß, wo sie sich hauptsächlich von Wasserinsekten ernähren. In diesem Stadium tragen beide Arten ein geflecktes Jugendkleid. Dieses Staduim wird international mit dem englischen Namen "parr" bezeichnet. Wenn sie schließlich eine Länge von ca. 15-20 cm erreicht haben, färben sich die Jungfische silberblank und lassen sich von der Strömung ins Meer tragen. In diesem Stadium nennt man sie "smolts". Dort gewinnen sie innerhalb kurzer Zeit erheblich an Gewicht, so daß die ersten (vorzugsweise Männchen) bereits im gleichen Jahr das erste Mal zum Laichen ins Süßwasser zurückkommen. Die meisten Fische verbringen aber mindestens ein volles Jahr oder mehrere im Meer und kehren dann mit Gewichten von 2,5 kg und mehr in Ihre Geburtsflüsse zurück. Lachse sind dann in der Regel erheblich schwerer als Meerforellen mit gleichlangem Meeresaufenthalt. Nach dem Laichen stirbt ein hoher Prozentsatz (ca. 80-90%) der Lachse an Entkräftung. Meerforellen überstehen die Strapazen des Laichgeschäftes besser und wandern, oft unter längerem Verweilen in nahrungsreichen Flußabschnitten, wieder ins Meer ab. In diesem Zustand sind die Fische kulinarisch nahezu wertlos, da ihr Fleisch seinen Fettanteil fast vollkommen verloren hat. Gerade dieser ist für den Wohlgeschmack entscheidend verantwortlich.

Erkennungsmerkmale

Wer nicht täglich mit Lachsen und Meeerforellen umgeht, hat mit der Unterscheidung der beiden Arten seine liebe Not. Es gibt kein in der Praxis schnell anwendbares und gleichzeitiges zuverlässiges Einzel-Unterscheidungsmerkmal. Für eine Bestimmung müssen in der Regel mehrere Merkmale überprüft werden. Hier einige Hinweise für eine Bestimmung (vgl. Abbildungen):
Als sicherstes Merkmal gilt der Schwanzstiel. Teilt man die Höhe des Schwanzstiels durch die Körperlänge, ergeben sich beim Lachs Werte zwischen 13,5 bis 16, für Meerforellen 10 bis 13,5. Die Färbung bzw. Fleckung ist als Unterscheidungsmerkmal bei erwachsenen Lachsen und Meerforellen wenig zuverlässig. Nützlich ist die Färbung jedoch zur Abgrenzung zu Bachforellen. Lachse und Merforellen lassen die bekannten roten Punkte vermissen. Lediglich große Männchen verfärben sich kurz vor dem Laichen ins Rötliche.

Welcher Lachs für welches Wasser?

Am Rhein sind die ersten z.T. imposanten Lachs-Rückkehrer eingetroffen und der Wiedereinbürgerung verstärkte Präsenz in den Medien und in der Öffentlichkeit beschert.
Mit neuem Elan werden weitere Projekte an verschiedenen Stellen angegangen. Dennoch ist gibt es noch einen hohen Informationsbedarf für die praktischen Belange der Lachs-Wiedereinbürgerung. Zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist die Auswahl des Lachsstammes für die Wiedereinbürgerungsmaßnahmen in mitteleuropäischen Flußsystemen.
Diese Entscheidung wurde für die bisher existierenden praktischen Besatzmaßnahmen auf einer außerordentlich schmalen Basis an Vorinformation getroffen. Steckten zum Zeitpunkt der ersten Wiedereinbürgerungsmaßnahmen in Norddeutschland die Erkenntnisse der Wandersalmoniden-Forschung noch in den Kinderschuhen, so liegen heute Forschungsergebnisse vor, die einerseits weit gestreut und schwer auffindbar sind, andererseits für die Einschätzung ihrer Bedeutung für die Praxis einer Interpretation bedürfen.
Die LMS hat sich daher vertieft mit dieser Frage auseinandergesetzt, Hier sind die vorläufigen Ergebnisse der Informationssammlung zu diesem Thema.

Zu einigen Kernfragen soll hier Stellung genommen werden:

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Lachsstamm?

Hier liegen ganz unterschiedliche Interpretationen des Begriffes vor, je nach Zielsetzung dessen, der diesen Begriff benutzt.
Im engsten Sinne bezieht sich der Begriff Stamm ausschließlich auf die Individuen einer mehr oder weniger eindeutig abzugrenzenden Lachspopulation (meist eines Flußsystems) in Hinblick auf die von ihnen vererbbaren Eigenschaften.
Die für den Betrachter erkennbaren Unterschiede zwischen teilweise eng benachbarten Populationen legen die Vorstellung nahe, daß durch die starke Heimkehrtreue der Lachse und die damit einhergehende Fortpflanzung ausschließlich mit Partnern der gleichen Flußpopulation zur Ausbildung erblicher Unterschiede zwischen den Populationen geführt hat.
Der Nachweis dieser Unterschiede (sei es im Körperbau, der Färbung, der zeitlichen Struktur der Abwanderung und Heimkehr, der Grilse-Anteile an den Rückkehrern etc.) erlaubt jedoch keineswegs den direkten Schluß auf wirkliche genetische Unterschiede der Populationen.
Wenn Genetiker von Stämmen sprechen, sehen sie diese in der Regel ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Fixierung von Eigenschaften im Erbmaterial.
In diesem exakten, wenn auch recht engen Blickwinkel erstaunen dann auch die Erkenntnisse von Genetikern nicht, daß die genetisch nachweisbare Unterschiedlichkeit der einzelnen Lachspopulationen abgesehen von der weitgehend gesicherten Trennung von einer amerikanischen und europäischen Unterart von Salmo salar vergleichsweise gering ist (im Gegensatz z.B. zur Bach/Meer/Seeforelle Salmo trutta) .
Es sind auf molekuarer Basis zwar hier und da auch innerhalb der Unterarten Unterschiede in der Zusammensetzung von Eiweißen nachzuweisen und ggfs. der Parallelverlauf ihres Vorhandenseins mit gewissen optischen oder quantitativen Erscheinungsformen von lokalen Lachspopulationen feststellbar, aber über eine wirklich vorhandene Abhängigkeit der für uns erkennbaren Eigenschaften von den erkannten genetischen Eiweißunterschieden kann keinerlei gesicherte Aussage getroffen werden.
Was der "normale" Betrachter von Lachsen aus verschiedenen Gewässersystemen als Unterschied wahrnimmt, ist wohl weitgehend auf eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit zurückzuführen. Sie wurde bereits 1936 durch ostkanadische Versuche bestätigt, in denen in Fremdsysteme in frühen Lebensstadien naturnah ausgebrachte Lachse bereits in der ersten Generation die Gewohnheiten der "Ureinwohner" angenommen hatten. Grilse-Flüsse lassen sich erfahrungsgemäß auch durch massenhaftes Einbringen von Fischmaterial aus "Mehr-Seewinter"-Flüssen nicht zu Großlachs-Lebensräumen umpolen.
Andererseits soll nicht verschwiegen werden, daß schottische Lachse, die (leider ist nicht bekannt, in welcher Lebensphase) in südfranzösische Großflüsse ausgebracht wurden, erhebliche Schwierigkeiten hatten, ihre Laichreife mit dem Erreichen geeigneter Laichgründe zu synchronisieren. Ob dies eine genetische Grundlage hatte, kann leider nicht festgestellt werden, da der neue Heimatfluß erheblich mit Wehrbauten belastet war, die die Wanderung evtl. verzögert haben könnten.
Auch neuere Erfahrungen aus Norddeutschland mit recht erfolgreichen Besatzmaßnahmen des Namsen-Lachses in einem Tieflandsfluß wie der Oste (welch ein Unterschied in der Flußstruktur zur norwegischen Heimat!) und mit der erfolgreichen Wiederkehr von norwegischen Vosso-Lachsen in die Bröl im Rheinsystem deuten darauf hin, daß im Erbgut europäischer Lachs-Wildpopulationen ein relativ breites Potential vorhanden ist, um mit vorhandenen Wechseln im Lebensumfeld erfolgreich zurechtzukommen. So kommen Jungfische norwegischer Herkunft aus Flüssen, die im Jahresverlauf kaum wärmer als 13-15 Grad werden, in Norddeutschland selbst mit Wassertemperaturen über 20 Grad zurecht und wachsen dabei noch hervorragend ab.
Unter diesem Blickwinkel erscheinen die Befunde der Genetiker, die zuweilen am Unterschied der Zusammensetzung eines einzigen Eiweißes Entscheidungen über geografische Großrassen festmachen - und rennomierte naturwissenschaftliche Zeitschiften finden, die dies veröffentlichen - in einem für die Praxis weniger bedeutsamen Licht.
Dennoch muß festgehalten werden: der wirkliche Anteil der Vererbung am Erscheinungsbild, in dem uns der Lachs einer Lokalpopulation entgegentritt, ist bisher nicht erforscht. Es ist aber bekannt, daß - speziell auf quantitative Populationsmerkmale, z.B. das Verhältnis von 1-Seewinter und Mehr-Seewinter-Rückkehrern - eine Vielzahl von Einflüssen einwirkt, die mit der Vererbung wenig oder nichts zu tun haben (z.B. Größe und Qualität der Eier).
Auch die mittlerweile von vielen Seiten durch Markierungs-experimente bestätigte Tatsache, daß Früh-Abwanderer (1 Jahr Süßwasser) vorzugsweise als Mehr-Seewinter-Fische zurückkehren, hat man bisher nicht vererbungsmäßig untermauern können.
Was wir als lachsfischende Beobachter - aber genetische Laien - an Eigenschaften eines Lachsstammes wahrnehmen, ist also ein Produkt aus vielen Faktoren, unter denen die Vererbung nur einer von vielen ist. Wichtig ist sie dennoch, denn die Breite der genetischen Merkmalsausprägungen innerhalb einer Population bietet die Grundlage für Anpassungsvorgänge, wie sie bei einer Konfrontation mit einem neuen Lebensraum zwangsläufig zu bewältigen sind.

Welche Bedeutung hat der Ursprung des Besatzmaterials für Wiedereinbürgerungsmaßnahmen?

Auf der Basis der Erkenntnis, daß nicht genau bekannt ist, welche Merkmale von Lachspopulationen genetisch oder durch andere Faktoren bestimmt sind, kann eine sinnvolle Strategie nur dahin gehen, die evtuellen Risiken der Auswahl des Initialmaterials nach bestem Wissen und Gewissen zu minimieren.
Folgendes kann nach Erkenntnis der LMS als Richtlinie gelten, um das Risiko ökologischer wie finanzieller Fehlschläge zu begrenzen:
• keine Lachse aus Übersee (Amerika)
hier liegen genetisch nachweisbare deutliche Unterschiede zu den europäischen Populationen vor
• keine Lachse aus klimatisch extrem unterschiedlichem Herkunftsgebiet
Bestandsstützungen mit extrem weiter Klimadifferenz (z.B. mit schottischen und isländischen Lachsen in Nordspanien) sind weitgehend fehlgeschlagen. Die Ursachen konnten bisher nicht sicher festgemacht werden. Genetische Unterschiede könnten evtl. eine Rolle spielen (für ein Eiweiß - Malatdehydrogenase "malic enzyme" - ) sind die Unterschiede zwischen "Kaltwasser-" und "Warmwasser-" Populationen nachgewiesen)
• möglichst Lachse aus benachbarten Gewässersystemen
nach den weitgehend akzeptierten Mechanismen der Bildung von Populationen, Rassen und Arten durch Isolation und Selektion ist die Wahrscheinlichkeit einer hohen genetischen Verwandschaft in der Regel bei benachbarten Gewässersystemen am höchsten. Darüberhinaus gleichen sich diese auch meist in der Flußstruktur, so daß begründete Hoffnung existiert, daß Lachse auch im Nachbarsystem mit den Verhältnissen zurechtkommen. Bei der Beurteilung der geografischen Nähe sind auch die historischen Verhältnisse zu betrachten (z.B. die eiszeitliche Verbindung vieler in die Nordsee mündenen Flüsse zu einem System)
• Langdistanz-Wanderer in lange Flüsse - Kurzdistanz-Wanderer in kurze Flüsse
Auch wenn eine große Anpassungsfähigkeit gegeben ist, sollte die Struktur des neuen Lebensraumes weitgehend der des Herkunftsystems entsprechen, damit die komplizierten Vorgänge der Lachswanderung möglichst ungestört ablaufen können.
• keine Lachse aus vom Menschen genetisch beeinflußten Stämmen (z.B. Zuchtlachse)
Die kommerzielle Produktion von Junglachsen für die Netzgehegemast und das Sea-Ranching (Einbringen von Smolts in Küstennähe und möglichst vollständige Abschöpfung der Rückkehrer) bringt gelegentlich Überschußmengen hervor, die auf dem freien Markt angeboten werden. Diese Fische sind in der Regel durch jahrelange Zuchtwahl oder genetische Manipulation (habe ich selbst in Kanada gesehen) auf die o.g. kommerziellen Zwecke optimiert und bilden kein brauchbares Material für die Bildung von neuen Wildpopulationen, weil das Ausprägungspotential für die Erbeigenschaften durch die langwährende Zuchtwahl stark verschmälert sein kann. Ihre Anpassungsfähigkeit an neue natürliche Verhältnisse ist meist gering. So haben beispielsweise jahrzehntelange, aufwendige Besatzmaßnahmen mit Fischen aus reinen Nutzfisch-Zuchtstämmen von Groß-Fischzuchten in Wiedereinbürgerungs-projekten in USA zwar Rückkehrer erbracht, bei der Bildung sich selbst erhaltender Populationen aber weitgehend versagt.
• Lachse ausschließlich aus seuchenfreien Beständen
Zucht- und Besatzmaterial darf nur aus Quellen bezogen werden, bei denen gesichert ist, daß von dort in das zu besiedelnde System keine Krankheiten eingeschleppt werden.

Dies ist von allergrößter Wichtigkeit

Ein einziger Fehltritt kann mit einem Schlag die gesamten bisherigen Wiedereinbürgerungsbemühungen zunichte machen !! Norwegen hat auf diese Weise bereits eine erhebliche Zahl von Lokalpopulationen für immer verloren. Immer auf eine entsprechende vetrinärmedizinische Überwachung achten und ohne eine von dort schriftlich bescheinigte Unbedenklichkeit kein Material ankaufen!
• Beim Vorhandensein mehrerer geeigneter Stämme mit Material aus allen beginnen
Die natürliche Selektion und damit die langzeitliche Anpassung der Fische an das Gewässer kann am besten Platz greifen, wenn die genetische Ausprägungsbreite der Merkmale so vielgestaltig wie möglich ist. Die Natur sorgt selbst dafür, daß sich die Individuen, die mit dem neuen Lebensraum am besten zurechtkommen, auch in der Entwicklung des neuen Stammes durchsetzen. Darüberhinaus verringert dies das Risiko kompletter Fehlschläge (wichtig in Hinblick auf die Öffentlichkeitswirksamkeit)
Nach unserer Einschätzung sind diese Maßgaben das, was aufgrund der gegenwärtig verfügbaren Information zur weitestgehenden Vermeidung von evtl. nicht mehr korregierbaren Risiken praktisch machbar ist. Die o.g. Punkte sind keine ehernen, unumumstößlichen Gesetze, sondern eine Umsetzung des gegenwärtigen Wissensstandes. Ihr Sinn liegt darin, begründbare Thesen als Grundlage für eine fruchtbare Diskussion zu schaffen. Die LMS ist dankbar für jede Anregung, Kritik und Information, die uns alle im Wissen zu diesem Neuland weiterbringt.