Die Wandersalmoniden an der Küste und auf hoher See

Mit viel Idealismus, Einsatz und Engagement bemühen sich viele Initiativen in Mitteleuropa um die Wiedereinbürgerung und Bestandsförderung der einst an den meisten Strömen häufigen Fischarten Lachs und Meerforelle.

Gefahren auf See

Die Pflege und Sicherung der Lebensgrundlagen im Süßwasser kann aber nur ein Stein im Mosaik von Maßnahmen sein, um den langfristigen Bestand dieser Arten in unseren Breiten sicherzustellen. Wenn die Wandersalmoniden nach 2-3 Jahren die Flüsse in Richtung See in guter Kondition verlassen, haben sie eine ungewisse Zukunft vor sich. Ihr Fleisch ist hochbegehrt bei Mensch und Tier. Kann der Fisch sich den Nachstellungen seiner Freßfeinde im Meer noch soweit erwehren, daß das langfristige Überleben der Art gesichert ist, so sind die fischereilichen Aderlässe durch den Menschen von keiner Selbstregulation mehr gesteuert und gehen den Populationen an die Substanz.

Lachs ist nicht gleich Lachs

Und in der Dimension der Populationen muß man denken um den Verhältnissen gerecht zu werden, denn sowohl Lachs wie Meerforelle bilden in Europa mehrere Rassen und darunter wieder nicht seiten Lokalpopulationen mit ganz spezifischen Verhaltensweisen und Eigenschaften. Diese Vielfalt und der Umstand des außerordentlich großen Lebensraumes (Bach-Fluß-Küste-Hochsee) machen Lachs- und Meerforellen-Populationen zu sehr sensiblen Umweltindikator,3n überregionaler Dimension.

Das Küsten-Dilemma

Lachs und Meerforelle geraten durch ihre Rückkehrtreue bei der Laichwanderung ins Süßwasser an der Küsten und Flußmündungen in den leichten Zugriff des Menschen.
Bestandsgefährdend wirkt sich dort aber weniger die traditionelle Berufsfischerei mit herkömmlichen Methoden aus als die Nachstellung durch Nebenerwerbsfischer und berufsfischereifremde Netzfischer ("Hobbyfischer"), die mit monofilen Stell- und Treibnetzen die zum Laichen zurückkehrenden Salmoniden dezimieren. Den Monofilnetzen kann von Lachs und Meerforelle wegen ihrer schlechten Sichtbarkeit nicht wie den herkömmlichen Fanggeräten ausgewichen werden.
Besonders in Ländern, wo die Wandersalmoniden gegenwärtig wieder eingebürgert werden, erlauben die derzeit gültigen Fischereibestimmungen eine hemmungslose kommerzielle Ausbeutung bis hin zur nahezu kompletten Absperrung des Wanderweges. Als Folge davon landen viele der mühsam und teuer im Laichgewässer aufgezogenen Lachse und Meerforellen über den grauen Markt in den Küchen von Hotels und Restaurants. Der Aderlaß ist so stark, daß in einigen norddeutschen Laichgewässern nicht mehr genügend Elternfische gefangen werden konnten, um die Bestandsstützung im bisherigen Ausmaß weiterzuführen.

Der "wilde Westen" auf hoher See

Noch in den frühen 60er Jahren wußte kein Mensch, wohin die große Zahl der Lachse zieht, welche den Küstenbereich verlassen. Ergebnisse von Markierungsversuchen ergaben dann aber in den Folgejahren ein deutlicheres Bild: Die Hauptweidegründe der Lachse liegen je nach Lokalrasse vor der Westküste Grönlands, im Nordmeer weit querab der norwegischen Küste sowie in den Zentralbereichen der Ostsee. Nach der Entdeckung setzte aufgrund des damals hohen Marktpreises ein Run vieler hochseefischender Nationen auf die Weidegründe vor West-Grönland ein. Ein Großteil des Fanggebiets lag außerhalb der Hoheitsgewässer und eine Kontrolle bzw. Limitierung fand praktisch nicht statt.
Durch die international übliche Ausweitung der Hoheitsgewässer zur 200-Meilenzone sind große Teile der Areale an Grönland gefallen. Fremdländer dürfen dort nunmehr nur noch unter grönländischer Lizenzerteilung fischen.
Ein Lichtblick in Hinblick auf ein kontrolliertes Management der Bestände schien die Gründung der NASCO (North Atlantic Salmon Conservation Organisation) zu sein, die für jede Fangsaison pro Land feste Nutzungsquoten festlegen sollte. Nur zu oft hat sich allerdings gezeigt, daß eine Einigung nicht zu erzielen war, was praktisch heißt, daß jede Nation nach eigenem Gutdünken weiterfischt. Einigt man sich in diesem Gremium auf Quoten, so sind sie noch lange nicht praktisch umgesetzt, denn es gibt Möglichkeiten, diese durch Ausflaggen der Schiffe auf ein der NASCO nicht ungehöriges Land einfach zu unterlaufen. Auch das ist gängige Praxis. Im weiterhin quasi rechts- und kontrollfreien Raum außerhalb der 200-Meilen-Zonen werden die Lachse auf ihren Wanderwegen mit Langleinen und Treibnetzen befischt - Fischereiformen, die wegen ihrer verheerenden Nebeneffekte gegenwärtig berechtigt in der öffentlichen Diskussion stehen.
Generelles Problem der Befischung von Lachsen auf hoher See ist die geringe Spezifität des Fanges. Ein vor Grönland im Netz landender Lachs kann genausogut einer aus einer gesicherten Population sein wie der letzte Vertreter seiner Art aus einem schwer geschundenen mitteleuropäischen Lokalbestand. Daß die Auswirkungen der Entnahme dieses Individuums für den einen bzw. anderen Fall höchst unterschiedlich sind, liegt auf der Hand.

Die Auswirkungen der Netzgehegezucht auf die Lachs-Hochseefischerei

Heute haben die spektakulären Erfolge der Netzgehegezucht den Lachs zu einem leicht verfügbaren Nahrungsmittel gemacht, das in solchen Mengen kommerziell gezüchtet wird, daß der Preis für Fänger wie Erzeuger oft kaum noch die Unkosten deckt. Unter diesem Vorzeichen haben die Bemühungen des nicht kommerziellen, isländischen Lachsfischers Orri Vigfusson zu dem überraschenden Ziel geführt, den Faröer Inseln ihre NASCO-Fangquote für den Zeitraum von 3 Jahren abzukaufen. Dies verschont die Lachse im Hoheitsgebiet der Faröer (ein wichtiges Durchzugsgebiet der wandernden Fische) vor der dort üblichen Langleinen-Fischerei. Ähnliche, auf privatem Engagement beruhende Bestrebungen gibt es nunmehr auch für West-Grönland, denn auch dort verheißt der erzielbare Preis für den Lachs kaum noch lukrative Einnahmen. Die Aufkaufaktionen bewegen sich in den Größenordnungen von mehreren Millionen Dollar - die westgrönländische Quote wird sich sicherlich auf einen zweistelligen Millionenbetrag belaufen.

Was will die LMS?

Lachs und Meerforelle sind ursprüngliche Bestandteile der mitteleuropäischen Fauna. Als sensible Bioindikatoren ist ihre gesicherte Bestandsexistenz ein Garant für den stabilen Zustand der Ökosysteme der Nordhalbkugel. Zur Sicherung der Lebensgrundlagen setzen wir uns ein für:
  • Unterstützung aller Maßnahmen zur Wiedereinbürgerung in geeignete Gewässer
  • Schaffung sich ohne Zutun des Menschen selbst erhaltender Populationen
  • Maßnahmenplanung nur auf Grundlage der Lokalpopulation und nicht der Art
  • Befischung nur im Rahmen verfügbarer natürlicher Überproduktion in den Flüssen
  • Unterstützung aller Maßnahmen für ein international übergreifendes und verbindliches Management auf See
Peter Olbrich, 1996